Von Tempeln, Lichtern, Geistern... - ein Jahr in Thailand

Ich bin jetzt auf den Tag genau fünf Monate und fünf Tage wieder da. Gerade habe ich nochmal meinen Tagebucheintrag vom 6. Januar letzen Jahres gelesen. Als Überschrift steht dort: „Wow“ und darunter steht, dass ich an diesem Tag den Brief von YFU erhalten habe, dass ich nach Thailand gehen kann. Ich war so glücklich!

In der ersten Woche gab es einen Vorbereitungskurs, wo ich mit den anderen YFU-Austauschschülern zusammen in Bangkok war. Dort hatten wir einen Kultur-Crash-Kurs, wo wir vor allem die unterschiedlichen thailändischen Begrüßungen gelernt haben. Begegnen sich beispielsweise zwei etwa gleichrangige Personen, so legen sie die Hände mit den Handflächen (mit ausgestreckten Fingern) vor der Brust zusammen und sehen sich in die Augen. Da man sich als Ausländer (thailändisch: Farang) normalerweise in der höheren Stellung befinden, genügt ein Kopfnicken in Verbindung mit einem Lächeln.

Nützlich sind auch die Begrüßungsformeln "sawadtii khap" (von Männern zu verwenden) bzw. "sawadthii khaa" (von Frauen zu verwenden), die zu jeder Tageszeit zur Begrüßung und Verabschiedung gebraucht werden können. Mit unserem Händeschütteln können nur sehr wenige Thais etwas anfangen. Vor allem zwischen den Geschlechtern sollte außerdem jeder Körperkontakt in der Öffentlichkeit vermieden werden. Dass nicht nur die Begrüßung je nach sozialem Status in Thailand sehr unterschiedlich ausfällt, habe ich auch erlebt. Eine meiner Freundinnen hat sich beispielsweise nicht getraut zu mir nach Hause zu kommen, weil meine Gastfamilie einen höheren gesellschaftlichen Stand hatte als ihre. Ich konnte aber immer zu ihr gehen, das war wiederum kein Problem. Ein weiterer kultureller Unterschied war, dass man in Thailand das Alter sehr stark achtet Die Jüngeren respektieren die Ältern sehr, aber die Älteren verpflichten sich im Gegenzug auch wirklich sich um die Jüngeren zu kümmern.

Ich war jedenfalls gerade noch zwei Wochen 15 Jahre alt als ich nach Thailand gekommen bin. Mein 16. Geburtstag wurde nicht so stark in Thailand gefeiert, wie ich das von Deutschland gewohnt war. Es gab abends einen Geburtstagskuchen und das war es auch schon. Ich habe ein ganzes Schuljahr, also 10 Monate, in Thailand verbracht. Thailand: Meine beste Freundin Thailand: Meine beste Freundin

Das Schuljahr beginnt dort nach dem Mondkalender, also meistens Mitte Mai. Es hatte schon anderthalb Monate begonnen als ich angekommen bin, aber das war überhaupt nicht schlimm. Sehr schnell hatte ich in der Parallelklasse meine beste Freundin gefunden. Ich hab sie über andere Freunde kennengelernt. Sie selbst kam gerade vor ein paar Monaten vom Austausch aus den USA zurück und hatte dort mit einer anderen Deutschen fünf Monate zusammen gewohnt. Was mir in der Schule sofort auffiel, war, dass sich viel weniger gemeldet wird, denn die Lehrer nehmen einen einfach so dran. In Thailand gibt es auch einen viel größeren Respekt vor den Lehrern, so hat man sich zum Beispiel auf den Boden neben den Lehrer gesetzt, während man mit ihm geredet hat. Man sitzt aber in Thailand generell viel mehr auf dem Boden. Die Lehrer, die man besonders gern mag, kann man Mutter oder Vater nennen, vorausgesetzt sie haben schon ein Kind. Wenn sie noch kein Kind haben, dann nennt man sie Tante oder Onkel. Ich hatte dort auch eine sehr fürsorgliche Lehrerin, die für mich so etwas wie ein Mutter war. Außerdem konnte ich in Thailand einfach so ins Lehrerzimmer gehen, was hier in Deutschland ja gar nicht Gang und Gäbe ist.

Wie das Schuljahr, so sind auch manche Feiertage in Thailand nach dem Mond gerichtet. Beispielsweise Loi Krathong, das ist ein Lichterfest, das in Thailand landesweit am Tag des Vollmonds im zwölften Monat des traditionellen thailändischen Lunisolarkalenders gefeiert wird. Es fällt üblicherweise in den November. Loi bedeutet schwimmen oder schweben, Krathong ist ein kleines Floß. Das Loi Krathong findet am Fluss statt, wo die ganze Stadt hingeht. Ich bin an dem Tag erstmal zusammen mit meiner Gastfamilie in den Tempel gegangen, um zu beten. Die Schulen in Thailand haben zum Lichterfest richtig schöne Lampen aus Blumen oder Stoff hergestellt und es gab sogar einen kleinen Wettbewerb bei dem sie ausgestellt wurden. Die Blumen sind so zusammen gesteckt, dass es am Ende wie ein Teller aussieht und in der Mitte ist dann die Kerze. Wenn man die Kerze anzündet und sie auf den Fluß loslässt, kann man sich etwas wünschen und lässt seine Wünsche und Sorgen damit symbolisch gehen. Zum Schluß gibt es noch ein riesiges Feuerwerk.

Der Buddhismus ist ja in Thailand sehr verbreitet. Ich war schon in der 7. Klasse sehr fasziniert vom Buddhismus als wir in der Schule darüber sprachen und in Thailand war das Thema dann nochmal richtig schön zentral für mich. Am Anfang war es für mich schon seltsam jeden Morgen zu beten, weil ich nicht getauft bin. Erst wollte ich es nicht so gern machen, aber mit der Zeit habe ich es als wichtigen thailändischen Kulturstandard verstanden und mich darauf eingelassen. Um ein paar alltägliche Beispiele zu nennen, wo der Buddhismus in Thailand zum tragen kommt, fällt mir spontan ein, dass man in Deutschland in der Öffentlichkeit weinen kann, ohne dass man ein schlechtes Gewissen gegenüber dem anderen haben muss. Der Buddhismus in Thailand lehrt hingegen, dass man dem anderen kein schlechtes Gefühl geben soll und daher weint man dort eigentlich nicht in der Öffentlichkeit, um den anderen eben nicht in eine unangenehme Situation zu bringen. Unter Freunden ist das wiederum erlaubt, also im Prinzip genauso wie hier.

Es gibt in Thailand übrigens in jedem Haushalt Geisterhäuschen. Jedes Haus hat so ein kleines Geisterhaus, da werden jeden Tag kleine Sachen geopfert, um den Geist sozusagen zu Frieden zu halten. Als ich neu in die Familie kam, hat meine Gastfamilie gleich zum Hausgeist gebetet, um den Geistern zu sagen, dass ich jetzt auch da bin. Außerdem bekommt man in Thailand bei der Geburt noch von der Mutter einen thailändischen Spitznamen, der kann auch auf Englisch sein. Sie nennen das „Spielname“. Ich hatte auch einen thailändischen Spitznamen, den ich am Anfang überhaupt nicht aussprechen konnte. Er ist dafür da, dass die Geister ein bißchen verwirrt werden, damit sie nicht so genau wissen, wer man ist und dass der Tod dann sozusagen auch nicht so schnell zu einem kommen kann. Jede Türschwelle hat zum Beispiel auch seinen eigenen Geist. Einfach auf die Türschwelle zu treten, gilt daher als sehr sehr unhöflich. Das haben wir zum Beispiel auch bei unserer YFU-Vorbereitungstagung schon gelernt, aber vieles habe ich dann vor Ort selbst erfahren.