September of 1998

Der erste Tag, die ersten Unterrichtsstunden an in der neuen Schule. Axel hat das erlebt. Was er aus seinem ersten Journalisunterricht mitgenommen hat, schreibt er uns hier.

It's my first day here at Bakersfield High, and so far I haven't really met anybody. Until in like two minutes or so: 6th period - journalism. I'm sitting in a chair which is connected to my table and I'm still trying to get used to it. Pretty strange for me coming from Middle Europe (Americans would consider me to be Caucasian) to not be able to adjust the distance between chair and table. God give me the power to accept the things I can't change. (Smily

The room is crowded. There's loads of people talking (one of the girls: "DAMN, he is so hot - I know - unbelievable - he's just gorgeous. And you should have seen him out on the field last night - jeez - he is so adorable - he really makes me pee my pants" - I'm not exaggerating right now!) Unfortunately I'm the only one who is not being talked to...

An old lady, later I find out they call her Ma Bell (well, actually it's Mrs. Bell), walking around seems confused to some extent, looking for something - occasionally she talks to us, tells us a couple of things about the student newspaper, she's searching in her case right now and tells us about journalistic techniques - "where did I put it - I just can't remember!", and she goes on searching. Just in that moment I hear someone shouting from behind "HEY you! YOU! What's your name???" (It's Axel bye the way.) I turn to my right, look into the girls curious eyes. - And - I'm doing one of the weirdest, very untypical, not rational, stupidiest, extremly upseting, dumbest ...blablabla... things in my whole entire life: I turn left thinking: she must be talking to someone on that side! Yes! That must be it!

Zugegeben ich kam mir ein wenig vor wie Jennifer Grey in Dirty Dancing. Ihr kennt doch diese Szene auch, als Patrick Swayze sie in einen der wirklich angesagten Tanzclubs mitnimmt und sie halt - um ihm etwas zu helfen - eine Wassermelone trägt. Als sie im Club angesprochen wird, was sie so treibt, antwortet sie spontan und ganz selbstverständlich: "Ich habe eine Wassermelone getragen!", und eine Sekunde später- "Oh Gott, was red ich denn da? Ich habe eine Wassermelone getragen!" Genau so habe ich mich gefühlt. Jaaa, alle, die den Film wie ich hunderte und aberhunderte Male gesehen haben, wissen jetzt wie: schlichtweg beschissen.

Da spricht mich also endlich jemand an und es bietet sich die Chance für ein persönliches Gespräch und ich täusche vor zu denken, es wird mit jemand von weiter links gesprochen. Prima! Toller Start. Sehr kommunikativ! Axel verbringt also den Rest der Journalismus- Stunde damit zu grübeln, wie er mit besagter Person am besten ins Gespräch kommt und die absurde Situation möglichst vorteilhaft für sich erklärt. Ja, so kann man seine Unterrichtsstunde in Journalismus eben auch verbringen! In Gedanken: Worte zurechtlegend, Gesten in Gedanken einübend, sich leise Mut einredened. Das erlösende, nein, das schrecklich fordernde, mich vor die Wahl stellende, das Jetzt-Oder-Nie-Pausenklingeln ertönt. RRRRRRRIIIIIIINNNNNGGGGG. Ich denk nur eins: Axel, los, steh auf und geh hin! Und das Klingeln steckt mir noch in den Knochen...

September 2000

Natürlich bin ich damals hingegangen, habe stotternd das Mißverständnis aufgeklärt und: habe natürlich meinen Namen verraten und mich vorgestellt. Ich habe es nicht bereut! Chelsea (the one with the curious eyes) wurde zu meiner engsten Vertrauten während des Austauschjahres in den USA und wir haben immer noch Kontakt. Sie hat mir erst vor ein paar Tagen gemailt und sich beschwert, daß meine neue Telefonnummer nicht funktioniert.

Ich habe die Geschichte nicht umsonst an den Anfang gestellt. Gern erinnere ich mich heute an sie und man kann an ihr einige Aspekte des Austauschschüler-Daseins ganz gut beschreiben.

  1. Ihr werdet in eine Euch fremde Umgebung entlassen, für Euch also absolutes Neuland. Alte, standardisierte und lang eingeübte Verhaltensmuster, welche hier in Deutschland ganz automatisiert sind, heißt es zu überprüfen. Oftmals sind diese einfach nicht anwendbar. Oder sie laufen nicht so automatisch wie in Deutschland ab. Ich konnte mich nicht einfach mit einem lockeren oder witzigen Spruch vorstellen. Sprachbarriere nennt man das dann! Außerdem war es für mich ungewohnt, mitten in der Stunde über Bänke hinweg nach meinem Namen gefragt zu werden. Dazu kam die Angst mit meinem holprigen Englisch bei einer eventuellen Antwort sofort alle Blicke auf mich zu ziehen.

  2. Ihr werdet Euch also verändert verhalten (müssen), in ähnlichen Situationen anders reagieren, gewohnte Muster ablegen und neue entwickeln. Wer mich kennt, weiß, daß ich kein Mensch mit Berührungsängsten oder Kontaktschwierigkeiten bin. Trotzdem habe ich in der "Extremsituation Austauschjahr" es zunächst nicht geschafft, auf die einfache Frage "Wie heißt Du?" spontan zu antworten. Ich mußte mir Worte zurechtlegen, ohne steif und unnatürlich zu wirken, meine eigenen Ängste abbauen, mich daran gewöhnen "der bunte Vogel" zu sein (und das seid Ihr als Austauschschüler mit verdammt hoher Wahrscheinlichkeit

  3. Vor allem: nehmt Euch bewußt selbst wahr. Überprüft kritisch, wie Ihr anderen gegenübertretet, welche Eurer vielen Seiten Ihr betont zeigt, oder wie automatisierte Denkabläufe aufgebrochen werden. Nehmt nichts als selbstverständliche Reaktion hin, sondern hinterfragt und schaut, wie Ihr Euch selbst verändert. Oftmals richtet man in der Austauschsituation sein ganzes Augenmerk auf seine neue Umgebung und analysiert sein Umfeld genau. Das ist wichtig, sollte aber nie Eure ganze Aufmerksamkeit einnehmen. Mindestens die Hälfte gehört nämlich Euch - ja Euch selbst. Habt Spaß daran zu sehen, wie Ihr Euch entwickelt, laßt Euch von neu entdeckten Fähigkeiten faszinieren. Lernt über Euch selbst zu lachen, wenn Ihr in einen Fettnapf getreten seid. Ein gesteigertes Selbstinteresse ist unbedingt notwendig, wenn Ihr Euer Austauschjahr aktiv erfolgreich gestalten wollt.

  4. In diesem Sinne: macht was draus.

  5. Letzter Tip: Szenen aus international gezeigten Filmen dienen bestens zur Illustration Eurer Gefühlssituation. Wer fiebert nicht gern mit den Protagonisten mit? Deshalb: schaut Euch Dirty Dancing bis zum Umfallen an, um jede peinliche Situation im eigenen "Unglücksfall" zitieren zu können.