Schüleraustausch 2.0

Facebook, Skype und E-Mail haben nicht nur unser Leben, sondern auch den Schüleraustausch verändert. Jeder sollte sich vor seinem Austauschjahr bewusst machen, dass ein gelungener Austausch in der realen Welt stattfindet!

Facebook, Skype und E-Mail – innerhalb kürzester Zeit haben neue, digitale Medien unser Kommunikationssystem revolutioniert. Gerade aus dem Alltag vieler Jugendlicher ist das so genannte "Web 2.0" kaum noch wegzudenken. Die wachsenden Möglichkeiten, schnell und kostengünstig online zu kommunizieren, haben auch weit reichende Auswirkungen auf den Schüleraustausch und das interkulturelle Lernen im Ausland.

Die Heimat ist nur einen Klick entfernt

Wo Jugendliche sich früher mit dem Start ins Austauschjahr in ein komplett neues Umfeld begaben, können sie nun einen Teil ihrer Heimat virtuell "mitnehmen". Vor kaum mehr als zehn Jahren mag es alle zwei Wochen einmal einen Anruf zu Hause oder gar einen Brief gegeben haben. Heute genügen wenige Klicks, um die Daheimgebliebenen über die Ereignisse im Austauschjahr zu informieren. "Es ist sicherlich schön, dass die interkulturellen Erfahrungen per Internet auch Anderen leichter zugänglich gemacht werden können", meint Kyle Boyd, Betreuungsexperte bei der gemeinnützigen Austauschorganisation Deutsches Youth For Understanding Komitee e.V. (YFU). "Allerdings birgt die intensive Mediennutzung während des Austauschjahres auch Risiken." Diese treten vor allem dann auf, wenn der Schüler im Ausland vor Konflikte gestellt ist. Beim Einleben in eine neue Kultur kann es gerade anfangs oft zu Anpassungsschwierigkeiten kommen. Austauschschüler müssen lernen, mit neuen Sichtweisen und Gewohnheiten klarzukommen. Nicht immer einfach – aber doch ein zentraler Bestandteil des interkulturellen Lernprozesses während des Austauschjahres.

Interkulturelles Lernen erfordert Kommunikation vor Ort

"Wichtig für eine gelungene Integration während des Austauschjahres ist eine offene Kommunikation mit der Gastfamilie und neuen Lehrern und Klassenkameraden – sowohl über positive als auch negative Ereignisse", erläutert Boyd. Allerdings werde die Bereitschaft, diese offene Verständigung vor Ort anzustreben, durch virtuelle Ausweichmöglichkeiten oft gemindert. Anstatt unbefriedigende Situationen direkt im neuen Umfeld anzusprechen, erfolgen der schnelle Griff zum Laptop und die Nachricht an Eltern oder Freunde aus der Heimat. Eine Reaktion, die natürlich erscheint – teilt man doch seine Probleme am ehesten mit den Menschen, die man am besten kennt. Während eines Austauschjahres sei dies aber nicht der richtige Weg zur Problembewältigung, meint Kyle Boyd: "Die Kommunikation mit den leiblichen Eltern ist nur eine scheinbare Lösung. Denn sie erfolgt völlig außerhalb des Kontextes, in dem das Problem entstanden ist." Eltern erhielten ein zwangsweise einseitiges Bild der Situation und würden den Austauschschüler in seiner negativen Bewertung dadurch oft verstärken. Probleme, die auf einfachen interkulturellen Missverständnissen beruhen, können so zu scheinbar unüberwindbaren Hürden werden.

Bewusster Umgang mit Medien ist gefragt

Wichtig sei es, so Boyd, dass Jugendliche sich vor allem im Austauschjahr ganz klar machten, welches Medium für welche Inhalte geeignet sei: "Facebook ist prima, um Kleinigkeiten aus dem Alltag auszutauschen, aber nicht, um dort Probleme zu bearbeiten. Schon gar nicht mit Außenstehenden." Dies gelte auch für die bei vielen Austauschschülern beliebten "Blogs", in denen die Jugendlichen wie in einem Tagebuch online aus ihrem Austauschjahr berichten. Hier müssten sich Schüler vor allem darüber bewusst sein, wo die Grenze zwischen privatem Tagebuch und Selbstdarstellung nach außen liege – und wer möglicherweise alles mitliest. Auch der schnelle Online-Kontakt mit anderen Austauschschülern im selben Land eine große Rolle. Hier entstehen durch den schnellen Online-Austausch manchmal ganz eigene Dynamiken: Im negativen Fall können sich die Schüler in vorschnellen Bewertungen über bestimmte Gegebenheiten in ihrem Gastland gegenseitig so sehr bestärken, dass eine unvoreingenommene Sicht kaum noch möglich ist. Auf der anderen Seite aber können positive Kommentare und Berichte für andere Austauschschüler auch neue Impulse geben.

Internationale Kontaktpflege und Transparenz

Bei einer verantwortungsvollen Nutzung können die neuen Kommunikationskanäle aber auch weitere Vorteile für den Schüleraustausch haben: Austauschschüler können durch ihre Berichte aus dem Ausland andere Jugendliche motivieren, selbst interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Außerdem erleichtert das Internet den zurückgekehrten Austauschschülern, die Kontakte in die neu gewonnene "zweite Heimat" auch weiterhin zu pflegen. Nicht zu unterschätzen ist auch die größere Transparenz auf dem Schüleraustausch-Markt: Online einsehbare Erfahrungsberichte oder Foren-Beiträge von ehemaligen Austauschschülern können den Neulingen die Wahl der passenden Austauschorganisation oft erheblich erleichtern.

Der Artikel wurde uns von YFU (Deutsches Youth For Understanding Komitee e.V.) zur Verfügung gestellt.