Schüleraustausch: Wer macht das? Was bringt das?

In seiner Doktorarbeit untersucht der Diplom-Geograph Michael Weichbrodt die Bedeutung von Schüleraustauschprogrammen in Deutschland.

Michael Weichbrodt war selbst als Austauschschüler in Kolumbien und hat sich danach jahrelang ehrenamtlich für seine Austauschorganisation engagiert. Später war er dann als Zivi in Russland, als Erasmus-Student in Schweden und als Freiwilliger in Sambia. Während seines Studiums fiel ihm auf, dass Bekannte, Freunde und Familienmitglieder im Alltag immer wieder von Menschen erzählen, die als Austauschschüler im Ausland waren und für die dieser Auslandsaufenthalt eine sehr wichtige Bedeutung im Leben hat. „Gerade unter Gymnasiasten scheint es heutzutage normal, dass man als Austauschschüler ins Ausland gehen kann. Jeder kennt jemanden, der das gemacht hat“, erzählt Michael. Außerdem hatte er den Eindruck, dass viele von diesen ehemaligen Austauschschülern – wie er selbst – später wieder für eine längere Zeit ins Ausland gehen. In den Wissenschaften dagegen, und gerade in seinem Studienfach Geographie, schien dieses Thema kaum Beachtung zu finden.

300.000 Deutsche waren Austauschschüler, über zwei Drittel gingen wieder ins Ausland

Michael beschloss, seine Vermutungen in einem Promotionsprojekt zu überprüfen. Er bat die verschiedenen Austauschorganisationen, ihm die Zahlen ihrer Programmteilnehmer zu schicken. Er schickte einen Fragebogen herum, der von rund 3.000 ehemaligen Austauschschülern ausgefüllt wurde. Und er führte zusätzlich dreißig persönliche Interviews. Obwohl er die Auswertung seines empirischen Datenmaterials noch nicht abgeschlossen hat, kann er schon von einigen Beobachtungen berichten: „Es ist sehr deutlich geworden, dass der Schüleraustausch in Deutschland eine enorme Bedeutung hat und dass das Interesse daran in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist“, berichtet Michael. „1990 sind 4.000 Menschen für einen Schüleraustausch ins Ausland gegangen, 2000 waren es 14.000 und 2009 schon 19.000. Im letzten Jahr sind die Zahlen dann leicht nach unten gegangen. Insgesamt haben knapp 300.000 Menschen in Deutschland bereits einen einjährigen Schüleraustausch gemacht.“

Auch Michaels andere Vermutung hat sich durch seine Studie bestätigt: Wer an einem Schüleraustausch teilgenommen hat, geht mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wieder für eine längere Zeit ins Ausland. „Siebzig Prozent der ehemaligen Austauschschüler, bei denen der Austausch mindestens sechs Jahre her ist, sind wieder für länger als sechs Wochen ins Ausland gegangen. Die meisten davon waren für einen Studienaufenthalt, für ein Praktikum oder zum Arbeiten im Ausland.“ Aus anderen Studien weiß Michael, dass insgesamt nur elf Prozent der Gesamtbevölkerung schon einmal mehr als drei Monate am Stück im Ausland waren. Ehemalige Austauschschüler sind also viel mobiler als die anderen Menschen in Deutschland. Ungeklärt bleibt, ob die Leute sich wegen der guten Erfahrungen des Schüleraustausches oder aus ganz anderen Gründen für die späteren Auslandsaufenthalte entscheiden. „Eindeutig lässt sich die Frage durch meine Studie nicht beantworten“, sagt Michael. „Doch fast alle Befragten geben im Online-Fragebogen an, dass die Entscheidung für weitere Auslandsaufenthalte mit dem Schüleraustausch in Verbindung steht. Die meisten sagen, dass sich ihr Wunsch, ins Ausland zu gehen, durch den Schüleraustausch verstärkt habe.“

Kontakte ins Gastland, Kontakte in die Welt

Michael interessiert sich aber auch dafür, ob die ehemaligen Austauschschüler noch in engem Kontakt mit den Menschen stehen, die sie während ihres Auslandsaufenthalts kennengelernt haben: „In den Interviews ist deutlich geworden, dass manche auch noch vielen Jahren sehr intensiv Kontakte halten, während andere dies gar nicht tun.“ Interessanterweise werden durch den Schüleraustausch nicht nur Kontakte ins Gastland geknüpft, sondern in die ganze Welt: „Manche haben Netzwerke mit anderen Austauschschülern oder Freunden und Familie, die nicht mehr im Gastland leben. Eine Interviewpartnerin hatte beispielsweise während ihres Schüleraustauschs in den USA eine Japanerin kennengelernt, mit der sie später während eines Auslandsaufenthaltes in Japan sehr engen Kontakt hatte.“ Ob es also um weitere Auslandsaufenthalt oder das Entstehen internationaler Kontakte geht – insgesamt ist Michael überzeugt: Mit seiner Studie kann er zeigen, welch eine große Bedeutung Schüleraustauschprogramme in Deutschland haben.

Michael Weichbrodt an der Uni Münster

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