Die Queen spricht Andalusisch: Ein Austauschjahr in Spanien

Julia verbrachte ihr Austauschjahr in Spanien und hatte "für schweres Heimweh überhaupt keine Zeit". Wie viele Ausgetauschte konnte sie sich die Rückkehr in ihre alte Heimat am Ende gar nicht mehr vorstellen.

Als wir alle unsere Koffer hatten und in die Wartehalle des kleinen Flughafens traten, standen da bereits alle Gastfamilien: Ana (15) und Laura (7), meine beiden Gastschwestern, und meine Gasteltern Pepa und Miguel.

Am Montag nach meiner Ankunft war mein erster Schultag und vor allem die Mädchen aus meiner Klasse waren sofort an mir interessiert, nahmen mich in den Pausen mit und wiederholten freundlich alles x-mal, bis ich es verstand. Meine ersten Wochen vergingen wie im Fluge. Abends fiel ich halb tot ins Bett vor lauter Müdigkeit, da ich an einem einzelnen Tag so viel erlebte, dass es eine Woche hätte füllen können.

Wenn ich mich jetzt zurückerinnere, habe ich nicht wahnsinnig viel unternommen, aber die kleinen Dinge waren alle so neu, so speziell, dass sie riesig und wahnsinnig wichtig erschienen.

An meinem ersten Freitagnachmittag nahmen mich meine neuen Klassenkameradinnen zum Shopping mit und wurden so sehr schnell meine Freundinnen. Ich erzählte meinen Freundinnen von der Schweiz und sie mir von Spanien. Mein Spanisch war nicht besonders gut und so ähnelten unsere Gespräche oftmals Pantomimen, die zu sehr viel Gelächter führten. Das Gelächter ist geblieben, die Pantomimen sind nicht mehr nötig, da ich in Spanisch schon nach wenigen Wochen große Fortschritte machte. Jetzt, nach fast sieben Monaten, spreche ich sehr sicher, mein Umfeld sagt: fast perfektes Spanisch.

Meine Gastfamilie gab sich immer große Mühe, dass ich möglichst viel von der Region zu sehen bekam und so machten wir an den Wochenenden viele Ausflüge, zum Beispiel an den Strand nach Caños de Meca und nach Gibraltar.

In Gibraltar etwa sahen wir zwei Frauen, die angezogen waren wie die englische Queen und sich so verhielten wie englische Damen in einem Hollywoodfilm, dann jedoch anfingen, Andalusisch zu sprechen was überhaupt nicht elegant ist. Oder ein Ehepaar, das in jedem zweiten Satz vom Spanischen ins Englische und wieder zurück wechselte. Oftmals machten wir abends Spaziergänge durch die Salinen von San Fernando, die vor allem bei Sonnenuntergang wunderschön sind, oder durch die Altstadt von Cádiz.

Mit meiner Gastschwester Ana machte ich an einem Wochenende im Oktober einen Surfkurs und kaufte mir danach mein eigenes Board und einen Neoprenanzug, um alleine surfen gehen zu können. Wenn ich nicht zu viele Tests in der Schule hatte, ging ich nachmittags surfen.

Für schweres Heimweh hatte ich überhaupt keine Zeit. Am Anfang schon gar nicht, nach den ersten drei Monaten, manchmal etwas. Ich sprach ungefähr zweimal monatlich per Skype mit meinen Eltern. Natürlich vermisste ich meine Familie, aber es war nicht so, dass ich mich nachts in den Schlaf geweint hätte oder so. Es war mehr so, dass ich Kleinkindern beim Spielen zugesehen habe und an meinen zweijährigen Bruder denken musste, oder meine kleine Gastschwester machte einen Kommentar und ich dachte daran, dass meine Schwester genau das Gleiche sagen würde. Aber das waren mehr kurze Momente, in denen ich meine Familie gerne bei mir gehabt hätte. Doch ich wünschte mir kein einziges Mal, dass mein Austausch schon zu Ende sei.

Weihnachten verbrachte ich ebenfalls bei meiner Gastfamilie. An Heiligabend vermisste ich die Geschenke, die in Spanien von den Heiligen Drei Königen am 6. Januar gebracht werden. Am 24. Dezember aßen wir mit der Familie meines Gastvaters zu Abend. Mir fehlte ein wenig die Weihnachtsstimmung und als ich das meiner Gastfamilie erzählte, sagten sie, dass das Abendessen auch für sie ein normales Essen war, jedoch in eleganter Kleidung. Am 25. Dezember kam die ganze Familie meiner Gastmutter zu uns in die Wohnung zu einem späten Mittagessen. Wir waren ungefähr 20 Personen an einem Tisch für höchstens 15, alle sprachen laut durcheinander, sangen und lachten. Nach dem Essen wurde der Tisch weggeschoben und in der Mitte eines Kreises getanzt.

Mit meinen beiden besten Freundinnen habe ich vereinbart, dass sie mich in den Sommerferien in der Schweiz besuchen kommen und ich hoffe, dass unsere Freundschaft trotz großer Distanz bestehen bleibt. Es sind Freundinnen von denen ich weiß, dass sie immer zu einer Skype-Krisen-Sitzung bereit sind, wenn ich einmal ein Problem habe.

Wenn mich jetzt jemand fragt, ob ich mich schon auf meine Rückreise im Juni und auf die Schweiz freue, dann antworte ich immer: „Ich fände es cool für ein, zwei Wochen nach Hause zu fliegen und meine Familie und Freunde zu besuchen, danach aber zurück zu kehren und weiterhin hier zu leben.“ Ich liebe meine Zeit hier und beim Gedanke an einen Abschied in drei Monaten von meiner Familie, meinen Freunden und Spanien könnte ich weinen. Ich kann mir mein Leben in der Schweiz nicht mehr vorstellen, weil ich als neue Person in mein altes Leben zurückkehren werde. Ich werde bei meiner Rückkehr nur neun Monate älter sein, jedoch hat mich mein Austauschjahr selbständiger und offener gemacht und mir wahnsinnig viele neue Erfahrungen geschenkt.

Falls ihr darüber nachdenkt einen Austausch zu machen, dann kann ich euch das nur empfehlen. Mein Austauschjahr ist das BESTE Jahr meines bisherigen Lebens.

Julia (Austauschjahr 2014/2015 in Spanien, ODI)