Sind wir alle nur ein Business?

Ich bin jetzt schon seit neun Monaten im Ausland; bald geht es für mich wieder nach Hause. Ich habe mich immer gut mit meiner Gastfamilie verstanden, und auch in der Schule hatte ich mit Anschluss an andere keine Probleme.
Ich liebte meine Freunde, und auch meine Gastfamilie.
Bis ich mir etwas sehr fatales in den Kopf gesetzt habe.
Wir sind alle nur ein Business.
Hier in Kanada verdienen Gastfamilien richtig viel Geld, wenn sie Internationale Schüler aufnehmen. Ist die „Liebe“ nur gespielt? Machen sie das mit jedem Schüler, der kommt? Erzählen sie jedem Schüler, er sei ein Teil der Familie geworden? Erzählen sie jedem, wie einzigartig er ist, wie unersetzlich, und was für eine Bereicherung für die Familie?
Das hat mich schwer getroffen… Seitdem mir klar ist, dass meine Gastfamilie in schon 2 Monaten einen neuen Schüler aufnehmen wird, der in meinem Bett schlafen wird, in meinem Zimmer jeden Abend die Nachttischlampe neben dem Bett andreht, den Kleiderschrank jeden morgen aufmacht um SEINE anziehsachen dort rauszuholen, dessen Freunde auf dem Sofa schlafen auf dem meine Freunde übernachtet haben? Und wird er überhaupt darüber nachdenken, dass vor ihm schonmal jemand in diesem Zimmer gelebt hat, in der Gastfamilie? Meine Gasteltern haben schon Kontakt zu ihrem neuen Schüler; genauso wie ich. Und offenbar werde ich nichtmal erwähnt. Ohne Facebook würde der neue gar nicht von mir wissen. Niemand wird sich mehr an mich erinnern. Wenn ich weg bin, war ich wieder nur eine von vielen, die einfach nur Geld in die Familie gebracht hat.
Die selben Sorgen hab ich auch bei meinen Freunden. Ich bin im Musikprogramm, und die meisten meiner Freunde kenne ich aus diesem Programm. Wir haben drei Klassen zusammen, und ich bin jetzt der einzige Deutsche. Eine andere ist schon nach fünf Monaten wieder gefahren. Ich liebe meine Freunde. Wirklich. Ich kann mir keine besseren Freunde vorstellen. Aber ich weiß dass nächstes Schuljahr wieder FÜNFUNDZWANZIG neue Deutsche auf meine High School gehen werden. 25. Werde ich dann auch wieder ersetzt? Meine Freunde haben nie von anderen Deutschen geredet, die vor mir da waren. Werden sie dann auch nicht mehr von mir reden? Wird sich noch jemand an mich erinnern, wenn ich weg bin?
Oder war ich für alle nur ein Business?

Bei business muss du nicht nur ans Geld denken, aber die Welt dreht sich nach einem Austausch auch weiter. Und dass der Austauschmarkt boomt, lässt sich nicht nur an der Doku soap von vox ablesen…
Was du beschreibst, entspricht leider der Realität. Es mag wenige Ausnahmen geben, bei denen die Anteilnahme nicht gespielt ist, aber in vielen Fällen ist die Oberflächlichkeit in Nordamerika sicherlich mit Schuld an dieser Tatsache. M. E. hat dies nicht mit der Bezahlung zu tun, sondern es handelt sich um ein Mentalitätsproblem: eine befreundete (kanadische) Familie hat uns erzählt, dass sie - da sie Farmer sind und keinen Urlaub in unserem Sinne machen können - sich jedes Jahr aufs neue die Welt ins Haus holen… Ausnahmen bestätigen die Regel: unsere Tochter hatte Glück, sie hat eine sehr nette Gastfamilie gefunden, war die letzte (von drei) Austauschtöchtern aus Deutschland und hat an der Schule eine Freundin fürs Leben (samt suuupernetten Eltern) gefunden. Der Regelfall ist dies nicht mehr: hier wie dort sind die Familienstrukturen inzwischen andere als in den 50er und 60er Jahren, die Zeit, die mit einem ATS verbracht wird, reduziert sich. Dies gilt übrigens auch von unserer Seite aus: auch mit unseren ATS (und wir hatten 2 Gastsöhne) haben wir nur noch sporadisch Kontakt, wobei ich mich immer riesig freue, wenn via facebook eine Nachricht aus Südamerika eintrudelt. Austausch ist immer eine Angelegenheit auf Zeit, wenn mehr daraus wird, schön; dies muss jedoch nicht sein!

leider.
ueberleg mal, wer alles daran verdient, wenn du einen Austausch machst.

1.) Deine Organisation daheim (Ausgenommen Rotary, AFS und YFU)
2.) Deine Gastfamilie (v.a. in den englisch-sprachigen Laendern)
3.) Deine Partnerorganisation vor Ort inkl. Mitarbeiter
4.) Die Schule (meistens nur Ozeanien und Privatschulen)

ich hab mich unter anderem fuer Rotary entschieden, weil ich nicht Teil eines Verdienstes sein wollte, sondern wollte, dass sich Menschen um mich und mein Austauschjahr kuemmern, die das ganze wirklich ehrenamtlich machen und mich unterstuetzen. Ich hab NUR positive Erfahrungen damit gemacht.

Die Vorbereitung in Deutschland war super, ich hab hier eine fuer mich perfekt passende Gastfamilie bekommen und weiss, dass ich mich bei Problemen immer an meine Rotary-Ansprechpartner in Deutschland oder Michigan wenden kann.
Ich bin jetzt 2 Wochen hier, fuehl mich super wohl und willkommen.
Also, fuer alle die dieses Business nicht unterstuetzen wollen oder einfach eine Organisation suchen, die Dich als ATS und nicht als Geldquelle sieht.: ich kann Rotary nur waermstens empfehlen!!

LG Miri

Rotary ist ja ganz speziell, da man ja mehrmals die Gastfamilie wechselt und auch sonst einiges anders ist als bei den anderen Orgas. Das muss nicht schlecht sein, aber es ist halt keine normale gemeinnützige Orga, sondern eben anders und man muss eben genau gucken, ob man das will.
Es gibt ja auch noch viel mehr gemeinnützige Organisationen, nicht nur AFS, YFU und Rotary. Und die Gastfamilien werden generell oft nicht bezahlt und die Schulen, wie du ja schreibst, auch nur selten. Es gibt also viele Orgas, wo man gar nicht oder zu einem großen Teil nicht ein „Business“ ist.

Also ich bin die 6. in meiner familie und kann nur sagen dass es mir egal ist. erst war ich etwas geschockt, aber 5 vor mir ist ja immernoch besser alls 50 (was in australien nicht selten ist). Aber meine gastfamilie sieht wirklich alle als famile. Die reden echt viel von ihren alten ATS, was einem kraft gibt irgendwie, da man weiß dass man nicht vergessen wird. Die meinen auch zu mir ich bin teil der familie und kann immer da wohnen und so :slight_smile: ich liebe die echt!
und bei meinen freunden weiß ich auch dass mich keiner nähstes jahr ersezten wird! habe echt die besten freunde gefunden hier!
also mach dir mal keine sorgen, wird schon :wink:

Ich glaube, einerseits kann es sehr schnell passieren, dass Austauschschüler Buisness werden. V.a. bei komerziellen Organisationen, die an den Schülern verdienen und die die Gastfamilien bezahlen. So ein Schüler ist natürlich eine einfache und schnelle Einnahmequelle.

Es gibt allerdings Organisationen wie YFU, AFS und Rotary, die einen Austausch als Horizonterweiterung und Erfahrung anbieten. Gastfamilien interessieren sich ehrlich für die Schüler und nehmen sie als ein neues Familienmitglied auf. Die Mitarbeiter sind meistens ehrenamtlich dabei und wollen nicht an den Schülern verdienen, sondern ihnen weiterhelfen und ein möglichst gutes Jahr bereiten.
Nicht, dass das perfekte Auslandsjahr nur mit diesen Organisationen gelingt und es dann auch wirklich immer super ist, aber die Voraussetzungen und Ziele dieser Organisationen sind zumindest nicht darauf ausgelegt, an den Schülern zu verdienen.

Also ich denke, es kommt auf alles Mögliche an. Die Organisation die man wählt, die Gastfamilie die man bekommt, die Menschen die man trifft und auf sich selbst (wie man auf Menschen zugeht, was man aus dem Auslandsjahr macht usw.).

Ich selbst hatte, meiner Meinung nach, v.a. mit meiner Gastfamilie riesiges Glück. Und ich hab auch in der Schule und der Kirche wunderbare Leute kennengelernt, di emich ehrlich mögen und mit denen ich noch lange in Kontakt stehen werde. Doch man weiß das vorher nie und darum ist es wichtig, den Moment zu genießen und die Zeit, die man im Ausland hat, denn wie sich die Kontakte später halten, kann man nicht voraussagen. Es wäre schade, nur darauf zu hoffen.

Ich finde es auch wichtig, zu versuchen, einfach die Zeit zu genießen und sich nicht so viele Gedanken zu machen, was danach ist. Es macht wenig Sinn und zieht einen letztlich nur runter, ständig in Gedanken zu hinterfragen, wie tief und ehrlich die Beziehung zu den Leuten im Gastland nun wirklich ist. Ich habe mir gegen Ende meines Auslands(halb)jahres extrem viele Gedanken darum gemacht, aber eigentlich sollte man das vermeiden, wenn es geht.

Zu kommerziellen Organisationen sei noch gesagt, dass es nicht zwangsläufig so sein muss, dass die Gastfamilien einen als pure „Einnahmequelle“ sehen. Auch Familien, die bezahlt werden, können fantastische Gastfamilien sein.