Großer Ärger mit amerikanischer Partnerorganisation

Nachdem unser Sohn aus den USA zurückgekehrt ist und sich deshalb nicht mehr im Einflussbereich der amerikanischen Austauschorganisation befindet (die damit drohte ihn sofort nach Hause zu schicken, wenn er sich beschwert, möchten wir unsere Erfahrungen öffentlich machen.
Wir haben für das high school year eine kleine Organisation ausgewählt, die mit einer fast ausschließlich in Kalifornien aktiven amerikanischen Organisation zusammen arbeitet, denn unser Sohn wollte am liebsten in den Sunshine State. Zur deutschen Organisation, die auch mit einem anderen amerikanischen Partner in Texas zusammen arbeitet, können wir nichts Negatives sagen. Die Vorbereitung war in Ordnung und sie hat auch versucht zu intervenieren, als zunehmend Probleme auftauchten. Wir mussten allerdings feststellen, dass ihr Einfluss gegenüber der amerikanischen Partnerorganisation AFICE bei circa 10- 12 Schülern in Kalifornien gering war. AFICE betonte auch immer wieder, dass nicht mehr die deutsche Partnerorganisation, sondern nur Sie aufgrund des beim high school year an öffentlichen Schulen üblichen J-1-Visums für unseren Sohn zuständig seien.
Die deutsche Organisation hatte uns anfangs mitgeteilt, dass die Familien in Kalifornien 300 Dollar pro Monat extra verlangen könnten, was dann letztlich aber meines Wissens nach bei allen AFICE Familien zum Tragen kam. Die 300 Dollar waren auch nicht das Problem und sind bei den enormen Kosten in den USA für Verpflegung auch durchaus gerechtfertigt,- wenn daraus nicht ein Geschäftsmodel entsteht, wie es von einigen AFICE- Familien praktiziert wird.
Was ist passiert: Unser Sohn landete - wie die meisten der der deutschen AFICE Schüler - in der Wüste rund um Victorville, wo die Lebenshaltungskosten wesentlich niedriger sind als im restlichen Kalifornien. Dort kam er zunächst in eine Familie mit 5 Kindern (die Mutter bekam wenige Wochen nach seiner Ankunft das 5. Kind) und zwei weiteren Austauschülern in sehr beengte Verhältnisse. Der japanische Austauschülern wurde - er zahlte auch 600 Dollar pro Monat - von den Gasteltern gefahren, unser Sohn und der chinesische Austauschschüler musste in der Stadt mit einer hohen Kriminalitätsquote eineinhalb Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wobei er gerade bei längeren Wartezeiten an einer Haltestelle beim Umsteigen richtig Angst hatte. Insgesamt hatte die Familie, in der nur der Vater am Wochenende manchmal arbeitet, durch die Anwesenheit der Gastschüler ein Zubrot von 1200 Dollar.
Unser Sohn war außerordentlich unglücklich, weil er - wie die anderen Austauschschüler auch - nicht richtig in die Familie integriert wurde, die ihre wenigen Unternehmungen ausschließlich mit der eigenen Familie machte. Manchmal „durfte“ er mit zum Walmart, um beim Einkauf zu helfen. Zunächst war unser Sohn bei einem gleichaltrigen Sohn im Zimmer, der allerdings merkwürdigerweise „homeschooling“ hatte und ständig bis spät in die Nacht die Glotze lautstark laufen ließ. Unser Sohn konnte deshalb nicht schlafen ( er musste um 5.00 Uhr aufstehen bei 7.00 Schulbeginn), auch weil bei fast 40 Grad Hitze aus Kostengründen die Klimaanlage nicht lief und das Fenster nachts nicht geöffnet werden durfte, weil dann der davor stehende Fernseher geklaut werden könnte. Als er sich wegen des TV Problems nach Gesprächen mit dem Gastbruder an die Gastmutter wandte, wurde er in einer Nische im Treppenhaus einquartiert, ohne Privatsphäre und ständigen Störungen - vor allem weil nach der Geburt ständig das Licht im Flur anging.
Nun wandte sich unser Sohn an die zuständige Afice Betreuerin mit der Bitte, die Gastfamilie wechseln zu dürfen. Die Betreuerin suchte aber in keiner Weise das Gespräch mit ihm, sondern drehte den Spieß um: Sie beschimpfte ihn als Lügner, weil er doch zusammen mit dem Gastbruder schlafen würde (als sein chinesischer Gastbruder bezeugte, dass unser Sohn im Flur schlief, wurde diesem gedroht nach Hause geschickt zu werden), und schrie ihn an, dass er sich glücklich schätzen solle auf amerikanischem Boden zur Schule gehen zu dürfen. Tage später wurden viele Gastschüler der Region um Victorville zusammen mit den Gasteltern an einen Ort gekarrt, wo ihnen erst zusammen eingebläut wurde, dass sie gefälligst dankbar zu sein hätten, wo sich doch die Gasteltern alle so enorm für sie aufopfern würden. In anschließenden Einzelgesprächen wurden ihnen dann erst recht Angst eingejagt - unserem Sohn wurde gedroht nach Hause fliegen zu müssen, wenn er mit uns Eltern oder anderen Austauschschülern über die Gasteltern reden würde. Solle. Ein Wechsel käme nicht in Frage.
Wir Eltern haben natürlich weiterhin durch zahlreiche Mails und Anrufe AFICE zu einem Wechsel zu motivieren. Noah war ja erst 2 Monate in den USA und wir wollten gerne diese unglückselige Situation für ihn drehen und ihn nicht sofort nach Hause holen. Plötzlich durfte unser Sohn wechseln: Es hieß, Noah hätte jetzt richtig Glück, er käme zu einem Freund aus der Schule und die Mutter hätte eine Bäckerei. Doch unser Sohn kam vom Regen in die Traufe und landete wieder in prekären Verhältnissen. Wegen großer Distanz zur vorherigen Schule musste auf eine neue, kleine Schule, den Gastbruder kannte er überhaupt nicht; die Gastmutter hat er in den 2 Monaten nur einmal backen sehen. Der Wechsel war nur zustande gekommen, weil ein japanische Austauschschüler am Tage zuvor freiwillig die Brocken hingeworfen hatte und nach Hause geflogen war. Wieder gab es eine Mehrfachplatzierung, die Gastmutter lieh sich ständig Geld vom chinesischen Gastschüler und machte unseren Sohn mehrmals klar, dass er (neben der kostenlosen Verpflegung in der Schule) nur ein Sandwich pro Tag essen dürfe. Selbstverständlich keinerlei Unternehmungen außer gelegentlichen Fahrten zum Supermarkt und zwei Besuche einer Kirchengemeinde.

AFICE, die Tatsachen verdrehte, die Kids einschüchterte und ständig damit drohte, dass sie die Schüler nach Hause schicken werden, gab zu, dass sie keine weiteren Familien hätten. Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass es in dieser schrecklichen Organisation auch graduelle Unterschiede gab. So gab es eine verständige Frau, Anne, deren Befugnisse jedoch mit der Zeit von ihrer Chefin beschnitten wurden (wir durften nur noch schreiben und nicht mehr telefonieren).
Wir haben bereits nach einigen Wochen angefangen, über Freunde und Bekannte selber nach Familien und Schulen zu suchen - eine langwierige und sehr kräftezehrende Angelegenheit bei 9 Stunden Zeitverschiebung). Durch den beispiellosen Einsatz einer Freundin einer Freundin in Santa Barbara (wir danken dir Samvada!!), die sogar eine Prüfung bei AFICE als Betreuerin ablegt, um unseren Sohn zu helfen und der Hilfe einer Lehrerin in Ventura kam es dann zum Happy End: Noah erlebte nach vier schrecklichen Monaten ab diesem Zeitpunkt bei einer wunderbaren Familie und in einer netten Schule ein tolles halbes Jahr.

Was lässt sich aus unseren Erfahrungen für ein Fazit ziehen: Unser Fall ist offenbar kein Einzelfall; immer wieder kommt es wohl vor, dass Familien vor allen aus finanziellen Gründen Gastschüler beherbergen. Auf jeden Fall sollte man sich gut über die amerikanische Partnerorganisation informieren und eine ggf. größere, deutsche Organisation wählen, die bei Schwierigkeiten Druck auf den amerikanischen Partner ausüben kann (aber auch dann kann so etwas passieren). Mehrfachplatzierungen bei gleichzeitiger Zahlung von Geldern an die Familie sind auf jeden Fall sehr verdächtig! An der Schule in Ventura, in der unser Sohn das letzte halbe Jahr war, gab es auch einen Austausch mit einer deutschen Schule. Wenn es gelingt in einen deutsch- amerikanischen Schulaustausch zu kommen (die manchmal auch Jugendliche aus anderen Schulen mitnehmen), kann man sicher sein, dass die Kinder in Familien kommen, die wirklich an einem Austausch interessiert sind.