Gastfamilie wechseln oder nicht?

Hallo ihr :slight_smile:

Vorab schon mal: Ist etwas länger, ist aber nötig um alles zu verstehen.

Vor etwa einem halben Jahr stand es für mich endgültig fest: Ich will unbedingt nach dem Abi ins Ausland. Wo war mir fast egal, Hauptsache in Europa, da ich einen Freund habe und wir uns so besser besuchen können.

Ziel war es: Irgendwas mit Pferden machen. Ich reite schon seit ich Kind bin und wollte in einem anderen Land einfach mal was Neues entdecken, wie die das dort so handhaben. Wenn die Familie dann auch noch Kinder hat, um die ich mich kümmern kann/soll, ist das auch ok.

Meine Schwester hat viel mit Pferden zu tun und schickte mir eines Tages eine Email die aus Schweden kam. Eine Familie, die jemanden sucht, der oder die ein Abenteuer sucht und was Neues erleben möchte. Sprachen: Englisch und ein wenig Deutsch.
Ich schrieb sofort zurück und erwähnte auch die Kinder um die ich mich kümmern könnte. Sie hatten drei Stück (5,6,8) und 4 Pferde, alles Springpferde. Ich dachte: Perfekt, vllt kannst du hier mal richtig Springen lernen (bin son kleiner Schisser).

Anfang Juli, genaugenommen vor drei Tagen sollte es dann morgens mit Auto zu Fähre nach Travemünde-Trelleborg gehen. In Trelleborg angekommen musste ich dann noch ca 1 1/2 Stunden bis zu meiner Gastfamilie fahren.

Schon auf dem Weg war ich völlig überwältigt von der Landschaft und freute mich auf die Familie. Schon während zwei Telefonaten kam mir meine Gastmutter recht symphatisch rüber. Dort angekommen war erstmal keiner zu sehen, aber nach kurzer Zeit zeigte sich langsam meine Gastmutter und ihre älteste Tochter. Die Begrüßung fiel freundlich aber zurückhaltend ihrerseits aus, aber aus einigen Quellen wusste ich, dass die Schweden sich wohl nicht so gerne in den Vordergrund stellen.
Sie sagte mir, sie wäre noch nicht ganz fertig damit mein Zimmer sauber zu machen, aber ich könnte mich ja auf dem Hof umsehen.Ich fragte ihre Tochter, ob sie mir alles zeigen wolle. Rund um das Haus waren Wiesen, dort anwesend 3 Highlandrinder. Allein die Hörner schüchterten mich schon etwas ein. Außerdem noch die Pferde, mehrere Schafe, Hühner, Kaninchen und im Zwinger zwei Hunde (Rottweiler). Ein großer Garten, vllt etwas rümpelig und viel Unkraut wurde mir gezeigt (nebenbei auch noch 3(!!) große Trampoline). Nun war das Haus dran. Schon bei Betreten kam mir ein seltsamer Geruch entgegen. Die Töchter zeigten mir ihre Zimmer, ganz schön chaotisch, wie ich fand, aber so sind Kinderzimmer ja manchmal. Das Wohnzimmer war ebenfalls recht chaotisch, dreckig und in einer Ecke standen mehrere IKEA-Säcke mit Wäsche drin. Wie sich später rausstellte war diese jedoch nicht dreckig, wie ich erst gedacht hatte, sondern sauber. Weiter gings in die Küche, auch chaotisch und vor allem dreckig. Benutztes Geschirr stand rum, Krümel, Flecken und viele, viele Fliegen. Das Badezimmer ähnlich dreckig und das Elternschlafzimmer ebenfalls äußerst chaotisch.

Schließlich gingen wir zurück zu meiner Gastmutter, die immer noch dabei war mein Zimmer herzurichten. Das Zimmer lag im Keller, an den man aber nur von außen ran kam. Auch auf der Treppe dorthin waren viele IKEA-Säcke und diverse Zeugs mehr oder weniger müllig. Meinen Gastvater sah ich noch nicht, der war irgendwo arbeiten und würde wohl in ein paar Tagen kommen.

Dann der Blick ins Zimmer. Es hatte wohl vorher nur als Abstellkammer gedient. Sie war gerade dabei den super schmutzigen Boden zu saugen. Das Bett war noch nicht bezogen. (Ich dachte mir nur: Hat sie vor 5 Minuten erst angefangen? Sie wusste doch seit mehreren Monaten, dass ich an diesem Tag kommen würde.)Bereits per Email wurde mir sogar ein eigenes Badezimmer versprochen, mit Toilette, Waschbecken, Dusche, etc. Dieses war jedoch noch gar nicht fertig. Dort wo ich ein kleines schönes Bad erwartete war ein bisschen Putz von den Wänden gekratzt und Arbeitswerkzeug lag rum. Ein wenig enttäuschend.

Als alles fertig war, war es trotzdem irgendwie noch nicht so ganz sauber und es roch nach Hunde-Muff.

Bereits beim Abendessen überkam mich das Heimweh, was ich tapfer runterschluckte. Doch als ich am Abend mit meinem Freund geskypt habe und alles geschildert habe, heulte ich wie ein Schlosshund. Auch als ich mit meiner Mutter telefonierte.

Mein Freund sagte komm zurück, meine Mutter hingegen sprach mir gut zu und sagte, leb dich erstmal ein und richte dich ein. Geb dem ganzen eine Chance, wenn die Leute im Endeffekt ganz nett sind, dann ist das mit dem Chaos letztendlich nicht mehr so wichtig. Schaff dir in deinem Zimmer ein eigenes Reich und einen Rückzugsort, dann klappt das schon.

Am nächsten Morgen stand ich um 8 auf. Ich wusste bereits, dass die Kinder zum Schwimmkurs mussten und stellte mich darauf ein, ein bisschen alleine zu sein. Halb 9 sagte sie zu mir ich könne frühstücken, machte aber keine Anstalten mir zu zeigen, wo was ist. Musste mir also selbst alles hersuchen. Wieder zeigte sich in der Küche Dreck und Ekeliges. Der Kühlschrank schien recht neu zu sein, zeigte sich aber auch von innen ziemlich versifft und es gab nichts essbares, was auf Brot gegessen werden könnte, außer Margarine. Also gabs erstmal nur Brot mit Margarine und ein Glas Wasser dazu (Trinkbares fand ich ebenfalls nicht, ich versuchte das Leitungswasser, ziemlich Eisenhaltig). Kurz vor 9 hieß es dann auf einmal Tschüss und schwupp waren alle weg. Fand ich schon sehr seltsam, dass die jetzt einfach so weg fuhren und mich alleine ließen. In der Hoffnung, dass sie bald wieder kommen würden wartete ich erst ein bisschen. Um elf beschloss ich dann in der Gegend umher zu fahren und schonmal Ausschau nach anderen Höfen mit Pferden zu halten. Halb 2 wieder da, war meine Gastfamilie immer noch nicht da! In der Zwischenzeit machte ich mich auf die schwere Suche nach Eimer, Putzlappen, etc um mein Zimmer sauber zu machen. Etwas wohnlicher wurde es schon.

Meine Gastfamilie jedoch kam erst um 7 wieder. Später fand ich heraus, dass sie arbeiten war. Schön, dass sie mir das erst abends erzählt.

Abends gingen wir dann über den Hof und sie zeigte mir alles zur Fütterung der Tiere. Die Hunde kriegten Essensreste mit Hundefutter und sahen dementsprechend dick aus, wenn nicht sogar fett. Im gesamten Hundezwinger lag überall Hundesch**** rum und es roch wieder so muffig. Kein Wunder…
Die Schafe bekamen ebenfalls Essensreste, ich bezweifel dass das gut ist, und die Pferde hatten derart schlechte Hufe, dass ich am liebsten gleich selbst Hand angelegt hätte. Sie sagte, die würde das immer selber machen, wenn sie Eisen bräuchten würde sie aber wen rufen.
Dann wurde mir der Pferdestall gezeigt. Lauter Gerümpel überall. Hinter den Boxen in einer Art Halle standen viele Regale mit Kisten und lauter Zeugs drin. Sie sagte mir, sie würden sämtliche Sachen an- und verkaufen. Mir schien das aber eher erfolglos, so wie da alles hin drapiert war. Auch die Sattelkammer und deren Vorraum sahen ähnlich aus. Langsam begriff ich, dass auch der ganze Krämpel auf dem gesamten Grundstück scheinbar ursprünglich zum Verkauf stand (oder noch steht?). Ich muss zugeben, ich war noch schockierter als am Vortag.
Zum Abschluss des Abends fragte sie mich dann, ob ich mit der 6-Jährigen am nächsten Tag zum Schwimmkurs fahren könnte, Eintrittskarte und Navi gab sie mir dafür.

Am nächsten Tag (also eigentlich heute) erledigte ich also das und ein Zettel wies mich darauf hin, dass ich den Tieren und Pflanzen Wasser geben sollte, Wäsche falten. Das beste: In meinem „Zimmer“ standen viele Schuhkartons, zum Verkauf natürlich, am Vortag sagte sie bereits, dass wir diese in den Vorraum der Sattelkammer bringen könnten. Auf dem Zettel stand dann jedoch: Bring die Kartons in den Raum, so wie ich es gestern erklärt habe.
Ich sollte jetzt also auch noch selber mein Zimmer auf- bzw. leerräumen?

Nun sitze ich hier, mir ist langweilig, und es ist keiner da. Zum Glück hat sie mir diesmal wenigstens erzählt, dass sie arbeiten ist.

Kurz: Ich fühle mich hier ehrlich gesagt sehr unwohl in diesem Dreck und dem Chaos.

Nun meine Frage an euch: Bin ich zu pingelig oder sind liegt es daran, dass wir Deutschen angeblich so ordentlich sind? Ich habe das Gefühl, dass die mich hier nicht wirklich zu integrieren versuchen und dafür, dass der Grund hierfür eigentlich die Pferde waren ist es komisch, dass ich noch nichts mit denen gemacht hab. ja gerne, aber ich schnapp mir doch nicht einfach ein fremdes Pferd und reite es.
Ich würde gerne mit ihnen darüber reden, aber ich weiß irgendwie nicht wie ich das angehen soll. Und ich habe Angst vor ihrer Reaktion. Nicht, dass sie dann sagen, gut, wenns dir nicht gefällt, dann sieh zu, dass du weg kommst.
Meine Mum und Freunde rieten mir, dem Ganzen ruhig ein paar Tage ein Chance zu geben, nach Hause fahren kann ich immer noch. Mittlerweile schau ich mich aber auch schon im Internet um, ob es in der Nähe irgendeinen Pferdehof gibt.

Habt ihr irgendwelche Tipps für mich oder ähnliche Erfahrungen gemacht?

Vielen Dank für die Geduld beim Lesen und im Voraus auch schon mal danke für alle Antworten.

Liebe Grüße!

Als ich letztes Jahr August bei meiner Gastfamilie angekommen bin, hat mich das blanke Entsetzen gepackt. Es war unglaublich dreckig, das Essen war verschimmelt, die Ameisen haben sich durch das Brot gefressen, die dreckige Wäsche die seit Monaten nicht gewaschen wurde stapelte sich im Laundry room so hoch dass es unmöglich war den Trockner zu öffnen etc. Ich wollte nur nach Hause. Hinzu kam nämlich noch, dass meine Gastfamilie beim vorherigen Kontakt und beim ersten Kennenlernen sehr abweisend und uninteressiert wirkte. Ich habe mit dem Gedanken gespielt die Gastfamilie zu wechseln oder am besten gleich in den nächsten Flieger zu steigen und dieses Loch für immer zu verlassen.
Und dennoch bin ich vor ca einem Monat tränenreich von genau der gleichen Familie verabschiedet worden, dennoch habe ich große Probleme gehabt mein zweites, so sehr geliebtes zuhause für immer zu verlassen. Trotz Schmutz und anfänglichen Schwierigkeiten.
Warum? Weil ich es auf mich wirken lassen habe. Klar, auch nach zehn Monaten war ich noch immer nicht von den Umständen unter denen ich gelebt habe begeistert, aber dennoch habe ich es geliebt und mich nur mit schwerem Herzen von diesen Menschen verabschiedet, die ich am Anfang eher komisch und ausweichend fand.
Denk daran, es ist nicht das Land aus dem du kommst, es sind nicht die Menschen an die du gewohnt bist, es sind nicht die Umstände in denen du aufgewachsen bist. Es kann sehr sehr anders sein, du kannst Konflikten gegenüber gestellt werden die deine ganze Kraft aufbrauchen, aber du kannst alles schaffen wenn du wirklich möchtest! Rede mit deiner Gastfamilie, denn so ein Beitrag im Forum wird dir vielleicht ein paar gut gemeinte auf die Schulter Klopfer bringen, aber an der eigentlichen Situation und deinem Verhältnis zur Gastfamilie wird es leider rein gar nichts ändern. Du musst den Mund aufmachen und mit ihnen reden, denn von alleine werden sie wahrscheinlich nicht darauf kommen, dass du dich nicht so wohl fühlst und gerne etwas ändern möchtest. Gib ihnen eine Chance!

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