700 Tage englisches Internat

Mittlere Reife und dann:
Nach meinem Realschulabschluss entschied ich mich, an eine britische Internatsschule zu wechseln. Nach zwei Jahren würde ich dort mit dem in Deutschland anerkannten „britischen Abitur“ abschliessen.

Einige Wochen bevor es los gehen sollte, hatte ich meiner neuen Schule bereits einen kurzen Besuch abgestattet. Zumindest wusste ich also wie mein neues Zuhause aussehen würde.

Schulwechsel nach Großbritannien
Schwer bepackt bin ich auf ziemlich schlottrigen Knien durch die Passkontrolle am Münchner Flughafen, in Richtung Flugzeug und meiner neuen Schule in England gegangen. Im Flugzeug habe ich mich hinter meinem Wörterbuch verschanzt, und versucht, noch ein paar Vokabeln zu lernen. Ich hatte ziemlich große Angst, dass ich schlichtweg niemanden richtig verstehen würde.

Den Weg zum Flugzeug bin ich noch viele Male gegangen, und jedes Mal konnte ich es kaum erwarten, meine Füße wieder auf britischen Boden zu setzen.

Ankommen und Einrichten
Mein Zimmer teilte ich mir mit Clare aus England. Gerade war es ziemlich angesagt, die Wände über den Betten mit Anzeigen aus irgendwelchen Fashion Magazinen zu tapezieren – also tat auch ich das.

Schnell bekam ich einen Eindruck vom Tagesablauf, und dem Leben im Internat. Die ersten Monate kämpfte ich mit der Selbständigkeit der Anderen – jeder wusste genau, was er von Morgens bis Abends machen wollte. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Nachdem ich das schuleigene Fotostudio und Labor kennen gelernt hatte, und mit Klavier- und Reitstunden beginnen konnte, wusste auch ich genau, was ich in meiner freien Zeit tun konnte.

Nach und nach genoss ich das Zusammenleben mit Gleichaltrigen. Als Einzelkind fühlte es sich einfach paradiesisch an, meine Freunde 24 Stunden um mich herum haben zu können.

Vom Frühstückstisch ins Klassenzimmer
Zusammen mit Clare und anderen Freundinnen habe ich mich jeden Morgen um kurz vor 8 Uhr im Speisesaal zum Frühstück getroffen. Als Vegetarier habe ich mich an Cereal, Toast und Fruits gehalte. Mandy, eine Freundin von mir hat mit Vorliebe den Tag mit Chicken Wings und Sausages begonnen.

Unterrichtsbeginn
Der Schultag beginnt gewöhnlich mit einem großen Meeting der ganzen Schule oder in kleinen Gruppen mit einem persönlichen Tutor.

Der eigentliche Unterricht fägt erst gegen 9 Uhr an. Eine Unterrichtsstunde dauert in England 90 Minuten. Nach der ersten Einheit gibt es eine Pause, um neue Energie zu tanken. Im Sixth Form Center (eigene Räumlichkeiten für die Oberstufe) gab es immer reichlich Toast mit Peanut Butter oder Chocolate Spread, viele leckere Cookies und Tee.

Viele Klassen bestehen aus nur 4 bis 12 Schülern. Dadurch spielt Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern eine wesentliche Rolle. Teamwork und das Ausprobieren von Gelerntem sind in England kein Fremdwort. So wird in vielen Fächern das theoretische Wissen direkt in die Praxis umgesetzt. Firmengründungen in Business Studies, real durchgeführte Studien in Psychologie oder Ausflüge in die nähere Umgebung in Biologie oder Geographie sind nur Beispiele.

Die britischen Lehrer verstehen es nur zu gut, ihre eigene Begeisterung für ein Fach, an ihre Schüler weiterzugeben.

Der größte Unterschied zum deutschen Schulsystem besteht darin, dass Fächer wie Art & Design, Textiles, Dance, Theatre Studies, Photography etc. angeboten werden.

Außerdem gibt es in der Oberstufe, ausgenommen das Abschusszeugniss, keine Ziffernzeugnisse.
Alle drei Monate werden ausführliche Reports über jeden Schüler erstellt, in denen nicht nur über die schulische Entwicklung berichtet wird.

Alle Klausuren während des Schuljahres sind reine „Übungs-Tests“, die nicht in die Abschlussnote einfließen. Die Vorbereitung und Unterstützung von Seiten der Schule ist allerdings so intensiv und gut, dass mit einer angebrachten Portion Eigenengagement bei den Abschlusstests nicht mehr all zu viel schief gehen kann.

Der Unterricht wird von einem längeren Lunch Break unterbrochen. Nach dem Essen habe ich zweimal die Woche den Büchereidienst in der Junior School übernommen, bin ins Fotolabor gegangen oder habe mich mit Freunden im Sixth Form Center getroffen.

Gegen 4 pm endet der Nachmittagsunterricht. Bis zum Dinner habe ich die Zeit für Aktivitäten wie Reit- und Klavierstunden, Töpfern und Aerobics genutzt. Einmal die Woche habe ich mit Freundinnen einen kleinen Abstecher nach Farnham, der nächsten kleinen Stadt gemacht.

Hausaufgaben mit der besten Freundin
Nach dem Abendessen ist Zeit für Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitungen (Prep-Time). Danach bleibt bis zur Nachtruhe noch etwas Freizeit, die meistens gemütlich im Sixth Form Center oder den Zimmern verbracht wird.

Ich habe im Internat wesentlich mehr Zeit mit Freizeitaktivitäten verbracht habe als Zuhause in Deutschland. Die Erledigung von Hausaufgaben und das Lernen für Übungs-Klausuren fällt wesentlich leichter, da diese innerhalb festgelegter Zeiträume von allen erledigt werden. Das Null-Bock Gefühl wenn es ums Lernen ging habe ich in England kein einziges Mal erlebt.

„Registern“:
Es ist üblich, sich drei bis viermal am Tag an einem vorgegebenen Ort zu „registern“. Alle Schüler werden in Listen eingetragen, um sicher zu stellen, dass alle sicher und wohlbehalten nach dem Frühstück, dem Mittagessen und Abendessen, sowie vor dem zu Bett gehen, auf dem Campus befinden.
In den einzelnen Boarding Häusern wohnen Betreuer, die für alle Internatsschüler die Erste Anlaufstelle sind. Natürlich sollen sie nicht die Eltern ersetzen, sie übernehmen aber oft elterliche Aufgabe, wie z.B. das morgendliche Wecken. Da sie ihre Wohnung in direkter Nähe zu den Schlafzimmern der Schüler haben, also räumlich schnell erreichbar sind, darf man sie bei schlimmen Heimweh Attacken, wenn sich sonst niemand findet, auch mal mitten in der Nacht wecken. Das selbe gilt natürlich für Unwohlsein und alle anderen Belange.

Allen Erwachsenen im Internat liegt viel daran, dass es jedem Schüler gut geht. Sie haben immer ein offenes Ohr für schulische Unklarheiten und auch für persönliche Sorgen.

Wochenende:
Oft bin ich Samstag Mittag mit einer Freundin nach London gefahren. Die Abende haben wir gemütlich mit Filme gucken und Pool spielen im Sixth Form Center verbracht.

Sonntags gibt es Brunch, so dass wir ausschlafen konnten. Nachmittags wurden oft Ausflüge wie Shopping Touren, Besuche von Kinos oder Freizeitparks von der Schule organisiert. Wie fast alle Internate lag meine Schule inmitten einer landschaftlich wunderschönen Umgebung, die besonders im Sommer zum Aufenthalt im Freien einlud.

Für alle Boarder sind z.B. die Sporthalle, der Swimmingpool, das Art Center, Foto Studio etc. auch am Wochenende geöffnet.

Da auf den meisten Internaten viele Schüler auch an den Wochenenden in der Schule bleiben, gibt es immer etwas zu tun – Langeweile ist im Internatsleben ein Fremdwort.

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Hi Johanna,

inzwischen gibt es schon eine ganze Menge Schulen in GB, an denen Du das IB machen kannst.

So viel ich weiß, gibt es aber nur ein einziges staatliches Internat in England, dass das IB anbietet - das Hockerill Anglo-European College.

Die Kosten für Unterbringung im Internat und Verpflegung belaufen sich dort auf ca. 8500 Britische Pfund pro Jahr, dass ist nur ein Bruchteil von dem, was private Internate kosten.

Infos über das Hockerill Anglo-European College findest Du unter

Da die Schule recht beliebt ist, auf jeden Fall ca. ein Jahr vorher bewerben!

LG, Veronika