Firmenstipendien - Ein Mysterium?

Die Finanzierung eines Austauschjahres stellt viele vor große Probleme. Wie wäre es mit einem Firmenstipendium? Das ist doch nur für Mitarbeiterkinder, sagen die einen. Andere fragen sich vielleicht, inwieweit ihre Kinder damit als Werbeschild benutzt werden. Und die meisten haben noch gar nichts davon gehört.

Wie so ein Firmenstipendium eigentlich funktioniert, dazu hat Ausgetauscht beim internationalen Großkonzern Voith nachgefragt. Beantwortet hat unsere Fragen Verena Breuer. Die Organisatorin des Voith-Stipendiums hat die besten Voraussetzungen für diesen Job: sie selbst verbrachte für ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften längere Zeit in Wales und hat zudem ein Praktikum in Südafrika absolviert.

Seit 2004 schreibt der internationale Konzern Voith gemeinsam mit der Hanns-Voith-Stiftung ein Teilstipendium aus, das jedes Jahr vier Stipendiaten finanziell bei ihrem Schüleraustausch unterstützt. "Wir von Voith möchten uns bereits früh im Schülerbereich engagieren und hier für die Jugendlichen die Möglichkeit schaffen, internationale und interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Weil wir denken, dass dies die persönliche und berufliche Entwicklung eines Menschen positiv prägt", erklärt uns Verena Breuer, die Koordinatorin des Stipendiums.

Doch wie genau funktioniert nun das Firmenstipendium?

Konkret heißt das: In Kooperation mit der Austauschorganisation AFS sucht Voith zwei deutsche Schüler aus, die sich für ein Austauschjahr in Brasilien und China entscheiden. Im Austausch kommen dann zwei Schüler jeweils aus Brasilien und China nach Deutschland. Warum diese beiden Länder im speziellen vom Voith-Konzern ausgewählt wurden, liegt vor allem daran, dass dort wichtige Standorte des Familienunternehmens beheimatet sind. Doch die Wahl der Länder repräsentiere nicht nur firmenstrategische Motive, so Verena Breuer: "Es macht zudem einen Unterschied, wenn beispielsweise deutsche Jugendliche nach Brasilien oder China gehen, wo es eine andere Kultur, eine andere Sprache, andere Lebensweise oder ein anderes Schulsystem gibt. Solche Länder sind außergewöhnliche Ziele und wir denken, dass man dort auch eher andere Eindrücke gewinnt als in Kulturkreisen, die unserem sehr ähnlich sind."

Wie bewirbt man sich für das Voith-Stipendium?

Gleich vorneweg die guten Nachrichten: Auch Firmenexterne können sich für das Stipendium bewerben. Das Stipendium ist für alle im Alter von 15 bis 18 Jahren, die an einem der Firmenstandorte wohnen/ zur Schule gehen. So heißt es in der Ausschreibung unter Voith Schüler-Stipendien: "Schüler mit Wohnsitz/Schule an einem Firmenstandort von Voith und großem Interesse an den Zielländern Brasilien, China oder USA" Eure Bewerbung richtet ihr aber am besten nicht direkt an Voith, sondern direkt an AFS. Denn alle Anträge, die bei Voith eingehen, werden sofort an die Organisation weitergeleitet. Dort beginnt dann der Auswahlprozess und in Beratung mit Voith, werden geeignete Kandidaten ausgesucht. Manchmal passiert es, dass beispielsweise aus China sich keine Bewerber melden. Dann können die Plätze auch auf weitere Deutsche oder Brasilianer verteilet werden. Insofern stehen die Chancen auf ein Stipendium gar nicht so schlecht.

Welche Bewerbungsunterlagen müssen eingereicht werden?

Neben Zeugnissen, aus denen zumindest durchschnittliche schulische Leistungen erkennbar sein müssen, benötigen Bewerber auch einen Empfehlungsbrief eines Lehrers. In einem zweiten von euch persönlich verfassten Brief beschreibt ihr eure Gründe, weshalb ihr das Austauschjahr machen wollt. Hierzu hat Verena Breuer einen guten Tipp: "Immer ehrlich und authentisch sein. Überlegt euch, ob ihr der Herausforderung, ein Jahr im Ausland zu leben, gewachsen seid und ob ihr das wirklich möchtet. Am Ende hilft es keinem, wenn auf beiden Seiten falsche Erwartungen geweckt werden und dann vielleicht das Stipendium abgebrochen werden muss. Beispielsweise aufgrund von Heimweh. Wenn wir Abbrüche haben, was sehr selten vorkommt, ist es tatsächlich aufgrund von Heimweh."

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit AFS und welche Kriterien spielten eine Rolle bei der Wahl der Organisation?

Als Voith sich für die Zusammenarbeit mit der Austauschorganisation AFS entschied, war das bereits vor Verena Breuers Zeit: "Ich vermute, dass bei der Wahl der AFS für Voith und der Hanns-Voith-Stiftung damals alles zusammenpasste. Das internationale, gemeinnützige Profil dieser Organisation, wie sie den Bewerbungsprozess, den Ablauf und die Durchführung professionell angehen - das hat uns überzeugt." Tendenziell vergeben viele Firmen ihre Stipendien gern in Kooperation mit größeren Austauschorganisationen. Das bietet allen Seiten viele Vorteile und neben einer gesicherten Finanzierung auch eine sehr gut vernetzte und auf Erfahrungswerten beruhende Zusammenarbeit. "Deshalb arbeiten wir auch gern mit AFS zusammen, weil sie durch ihre Erfahrung und ihre intensive Betreuung schnell mitbekommen, wenn Handlungs- und Unterstützungsbedarf besteht. Beispielsweise haben sie Mentoren vor Ort, oft auch ehemalige AFS-Stipendiaten, die helfen und die Schüler oder auch die Gastfamilie bei Problemen beraten. Wir sind da sehr dankbar, AFS als zuverlässigen Partner vor Ort zu haben", bestätigt Verena Breuer. "Also ich würde heute die AFS wieder als Partner wählen, weil wir bisher nur positive Erfahrungen mit ihnen gesammelt haben. Besonders die Betreuung der Schüler und Gastfamilien durch ehrenamtliche Betreuer, finde ich super."

Inwieweit gibt es eine Betreuung der Schüler vor Ort und wenn ja, wie gestaltet die sich?

Der Konzern bringt seine Stipendiaten vorzugsweise bei Voith-Gastfamilien unter. Dies bietet nicht nur Voith die Sicherheit, dass die Kids gut untergebracht sind. Es erleichtert AFS auch die Suche nach geeigneten Gastfamilien. Dabei gibt es hin und wieder die ein oder besonders engagierte Gastfamilie, was nicht nur Verena Breuer für ihre Arbeit zu schätzen weiß. "In der Nähe des Voith-Standtortes haben wir beispielsweise eine intern bezeichnete AFS-Familie. Hier waren fast alle Töchter mit AFS im Ausland und die Familie nimmt auch oft AFS-Teilnehmer aus dem Ausland bei sich auf. Es ist toll, dass wir diese Familie hier in der Nähe haben, die zur Not mit Ihren Erfahrungen unterstützen kann." Ein Firmenstipendium ist normalerweise nicht nur an Bewerbungskriterien geknüpft, sondern auch an bestimmte Verpflichtungen. Bei Voith gehört das Verfassen eines Halbjahresberichtes über den Aufenthalt dazu. Dieser dient allerdings nicht der Werbung. In erster Linie sollen diese Berichte aufzeigen, wie das Austauschjahr für die Schüler bisher verlaufen ist. Gibt es eventuell Probleme oder wie haben sich die Erwartungen erfüllt? Aus diesem Grund veranstaltet Voith zum Beispiel auch Werksführungen für die Stipendiaten. "Die Austauschschüler halten dann auch immer kurze Präsentationen, oft mit vielen Bildern, um einfach über Ihre Erfahrungen zu berichten. Was hat Ihnen gefallen? Was war vielleicht anders als erwartet? Was war schwierig? So können die Schüler auch noch einmal das Austauschjahr Revue passieren lassen", sagt Verena Breuer. Manche Jugendliche schreiben sogar regelmäßig Blogs, wie die 17jährige Luise aus Ulm, die seit August 2013 in Brasilien ist.

Gibt es Ehemalige, die heute bei Voith arbeiten?

Verena Breuer: "Wir freuen uns über jede Bewerbung, die von einem ehemaligen AFS-Stipendiaten kommt. Allerdings messen wir auch der gesellschaftlichen Verantwortung eine große Bedeutung bei und möchten den Schülern durch unser Stipendium die Möglichkeit bieten, sich persönlich Weiterzuentwickeln und wertvolle Auslandserfahrung zu sammeln. Daher sind wir auch keinem Böse, der sich dann später für einen Beruf entscheidet, der für Voith nicht relevant ist."

Abschließendes?

Wer sich also für ein Voith-Stipendium interessiert, kann sich vorab bei Verena Breuer informieren. Und am Telefon lassen sich alle weiteren Fragen eh viel besser klären. "Am schönsten ist es für mich, die Briefe der Schüler vorher und nachher zu vergleichen. Zu Beginn ihre Vorstellungen und Erwartungen zu lesen und anschließend dann das, was alles eingetroffen ist und was ganz anders war als gedacht. Ich merke in den Briefen richtig, wie sie sich entwickelt haben und um wie viel reflektierter beispielsweise die Sichtweisen der Jugendlichen sind. Sie beginnen eigene Lebensweisen zu hinterfragen und haben spannende Auslands- und Lebenserfahrung gesammelt. Das freut uns natürlich sehr. Ich persönlich bin total begeistert und es macht mir sehr viel Spaß, mit Jugendlichen zu arbeiten und Ihnen diese Erfahrung gemeinsam mit Voith zu ermöglichen."