Mein Auslandsjahr in Alicante während der Pandemie

Hola! Ich heiße Carl, bin 18 Jahre alt und habe von September 2019 bis August 2020 ein Auslandsjahr in Alicante/ Spanien absolviert. Ich hatte viele Pläne für mein Auslandsjahr. Vieles hatte ich mir vorgenommen und vieles hat Covid-19 verändert. Unterwegs war ich mit "Schüleraustausch Spanien".

In meinem Auslandsjahr in Alicante wollte ich natürlich so gut Spanisch zu lernen, dass ich die 11. Klasse in der spanischen Schule bestehe; ich wollte den Führerschein in Spanien machen und die Prüfung für das Dele-Sprachdiplom an der Universität von Alicante absolvieren. Da mein größtes Hobby der Fußball ist, wollte ich regelmäßig trainieren und natürlich auch viel Zeit mit den Spaniern verbringen und den Strand und das Leben in Spanien genießen.

Vor Ausbruch der Pandemie hatte ich bereits sechs tolle Monate in Spanien und es sah so aus, dass ich alles erreichen werde, was ich mir für das Auslandsjahr vorgenommen hatte. Aber mit dem Ausbruch von Corona wurde klar, dass es schwierig werden würde.

Ich bin in Spanien geblieben, schließlich wollte ich die vielen Pläne, die ich hatte, irgendwie schaffen. Ansonsten wären die ganzen Anstrengungen der letzten Monate umsonst gewesen und alle Pläne hätten sich in Luft aufgelöst. Das wollte ich nicht. Meine Eltern und ich waren uns da einig. Wir wollten alle, dass ich trotz Corona das Auslandsjahr bis zum Ende absolviere. Wir haben nie darüber nachgedacht aufgrund von Corona abzubrechen.

Spanien und das Corona Virus

Als die chinesischen und internationalen Medien begannen über das Virus zu berichten, dachte niemand in Spanien, dass es auch Europa und letztlich die ganze Welt treffen wird. In Spanien war die Situation bis ungefähr 10. März entspannt. Dann wurden aber schlagartig viele Fälle von Corona infizierten Patienten bekannt. Bei uns in Alicante begannen die Menschen Hamsterkäufe zu machen und wurden täglich nervöser. Dass es aber so schlimm werden könnte, dachte zu diesem Zeitpunkt niemand.

Die Regierung sprach in der Nacht vom 14. auf den 15. März eine komplette Ausgangssperre aus. Ab da durfte ich das Haus meiner Gastfamilie nur noch verlassen, um mit ihrem Hund eine kleine Runde ums Haus zu gehen. Dabei hat mich auch zweimal die Polizei angesprochen, da ich eine Straße zu weit von unserem Haus entlanglief und weitere Strecken mit dem Hund verboten waren.

Als die Ausgangssperre verhängt wurde, dachte niemand, dass diese immer wieder für weitere zwei Wochen verlängert wird. Letztlich hatten wir dann fast zwei Monate eine komplette Ausgangssperre und danach durfte man je nach Altersgruppe nur zu bestimmten Uhrzeiten auf die Straße.

Auch die Strände wurden am 14. März geschlossen. Ab Juni durfte man dort zumindest spazieren gehen und später auch wieder baden. Jeden Abend standen die Menschen applaudierend auf ihren Balkonen. Es fuhren die Polizei und die Krankenwagen hupend durch die Straßen und wurden lautstark bejubelt und beklatscht als Dank für ihren Einsatz.

Schule und Corona

Seit Anfang meines Auslandsjahres besuchte ich eine öffentliche Schule in San Vicente del Raspeig/ Alicante. Dort absolvierte ich die 11. Klasse, das entspricht in Spanien der ersten Abiturklasse von zwei Jahren Abi. Ich hatte sehr viele nette Klassenkameraden, die mich vom ersten Tag an freundlich aufgenommen haben. Sie halfen mir in der ersten Zeit, wo es nur ging. Dabei sind sehr gute Freundschaften entstanden und wir haben auch an den Wochenenden einiges zusammen unternommen.

Durch Corona hatte ich ab dem 13. März niemanden mehr von meinen Freunden treffen können. Wir hatten nur per Whatsapp Kontakt, um uns gegenseitig bei den Online-Klassen zu helfen und auszutauschen.

Seit der Ausgangssperre bekam meine Auslandsjahr-Organisation Infos und Unterrichtsstoff von meinen Lehrern zugesandt und gab sie an mich weiter. Manche Lehrer schickten viele Hausaufgaben, manche machten Videokonferenzen und einige Hausaufgaben mussten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt online abgegeben werden.

Wir wussten nicht, ob wir vor den Sommerferien nochmals zur Schule gehen können. Leider kam es dann so. Ich sah die Schule und meine Lehrer nicht mehr wieder. Von Mitte März bis zu den Ferien waren die Schulen geschlossen. Der Vorteil war, dass ich nicht mehr früh aufstehen musste und alles von zuhause machen konnte. Aber in manchen Fächern wäre es schon besser gewesen, die Lehrer hätten den Unterrichtsstoff persönlich und nicht online erklärt.

Eines meiner Ziele war es, die 11. Klasse in Spanien zu bestehen, so dass ich diese in Deutschland anerkannt bekomme. Ich wollte in Deutschland in die 12. Klasse versetzt werden und mit meinen alten Klassenkameraden die Schule weitermachen. Ich wollte auf keinen Fall das Schuljahr wiederholen. Bis zur Ausgangssperre hatte ich gute Noten, wenn man bedenkt, dass meine Spanischkenntnisse natürlich in den ersten Monaten noch nicht so gut waren, um den Unterrichtsstoff in der Schule zu verstehen.

Die Lehrer und auch meine Austausch-Organisation haben mich während des Homeschoolings sehr unterstützt. Ich stand mit meinen Lehrern per Email in Verbindung, bekam von der Austausch-Organisation Aufgaben von der Schule übermittelt und hatte Zugang über Online-Plattformen zu Hausaufgaben und Unterrichtsmaterial. Leider hatte die wichtigste Plattform im Internet für Hausaufgaben lange nicht funktioniert. Keiner war wohl auf so einen Ernstfall wie Corona vorbereitet gewesen. Zusätzlich lernte ich mit meinem Vater von Deutschland aus Mathematik via Skype, da dies das einzige Unterrichtsfach war, dass in Spanien schwieriger ist als in Deutschland.

Die Motivation zum Lernen war natürlich ohne normalen Schulbetrieb nicht so groß. Ich musste sehr selbstdiszipliniert sein, aber ich hatte ja ein Ziel vor Augen, ich wollte unbedingt das Schuljahr bestehen. Am Ende hat das auch geklappt.

Mein Führerschein und Corona

Ich wollte in Spanien den Führerschein machen und war seit Anfang Februar zur Fahrschule angemeldet. Während der Ausgangssperre habe ich mich auf die Theorieprüfung vorbereitet. Dazu hatte mir die Fahrschule in Spanien eine App auf Deutsch zur Verfügung gestellt, mit der ich am Handy die Tests zur Theorieprüfung machen konnte. Die deutsche Übersetzung der Tests war zwar nicht sehr gut, aber so war es dennoch leichter für mich.

Meine Austausch-Organisation kannte die Fahrschule sehr gut und hatte sich mit ihr per Mail in Verbindung gesetzt. Als die Ausgangssperre aufgehoben wurde, konnte ich sogleich die Theorieprüfung machen und habe diese auch bestanden. Ich konnte danach Fahrstunden nehmen. Alles hat gut geklappt und die Fahrschule hat mich super unterstützt, damit alles vorwärts ging und ich so schnell wie möglich viele Fahrstunden hatte.

Mitte Juni konnte ich die Fahrprüfung machen. Aber genau am Tag der Fahrprüfung hatte ich auch an der Universität von Alicante meine 3-stündige Spanischprüfung. Ich wurde in letzter Minute von meiner Organisation nach der Sprachprüfung abgeholt und zur Führerscheinprüfung gebracht. Leider habe ich ganz am Ende der Prüfung beim Einparken einen Fehler gemacht und bin durchgefallen. Das hatte zur Folge, dass ich danach noch weitere Fahrstunden nehmen musste und dadurch meinen Schüleraustausch bis Mitte August verlängern musste. Bedingt durch Corona und die lange Ausgangssperre gab es so viele Anmeldungen zur Fahrprüfung, so dass ich erst Mitte August einen Wiederholungstermin bekam. Den habe ich dann aber problemlos bestanden.

Fußball und Corona

Wie schon erwähnt, hatte ich in einer Fußballmannschaft in Alicante mittrainiert. Im Februar hatte ich mir beim Training leider das Handgelenk gebrochen und musste aussetzen. Damals dachte ich, dass ich - nachdem ich den Gips entfernt bekomme - wieder meinen Lieblingssport betreiben kann. Aber alles wurde anders. Durch die Ausgangssperre musste meine Gastmutter meinen Gips zu Hause entfernen. In den Kliniken wurden nur noch Notfälle behandelt. Der Arzt hatte der Organisation per Mail mitgeteilt, dass der Gips entfernt werden kann und welche Übungen ich täglich machen soll, damit das Handgelenk nach und nach wieder die volle Beweglichkeit erlangt. Erst als die Ausgangssperre gelockert wurde, konnte ich zur Physiotherapie gehen. Fußball habe ich in Spanien leider gar nicht mehr gespielt. Auch nach der Ausgangssperre war jeglicher Mannschaftssport verboten.

Gastfamilie und Corona

Mit meiner Gastfamilie habe ich mich sehr gut verstanden. Sie bestand aus meiner Gastmutter und meiner Gastschwester, die ebenfalls die 11. Klasse besuchte und einem erwachsenen Sohn, der in der 3. Liga Fußball spielte. Diese Gastfamilie wurde für mich ausgesucht, da sie genauso fußballbegeistert ist wie ich. Ich fühlte mich sehr wohl bei ihnen, jedoch war es natürlich speziell während der Coronakrise nicht leicht ohne meine Eltern und meinen Bruder in Deutschland zu sein. Meine Familie in Deutschland unterstützte mich sehr und wir waren täglich in Kontakt miteinander.

Kurz vor dem Beginn der Pandemie hatten mich meine Eltern in Alicante besucht, um mit mir meinen 18. Geburtstag zu feiern. Das war sehr schön. Damals hatte noch keiner gedacht, dass sich Corona auch in Spanien so dramatisch ausbreitet. Zu meinem 18. Geburtstag organisierte ich eine große Party mit meinen spanischen Freunden. Dies sollte bis Sommer die letzte Party gewesen sein. Mit meinen Freunden konnte ich mich erst ab Ende Juli wieder verabreden. Dann habe ich mich aber jeden Tag mit ihnen getroffen. Das war eine tolle Zeit und wir haben alles während der Ausgangssperre Versäumte nachgeholt.

Corona und Feste in Spanien

Durch Corona wurden alle Fiestas in Spanien abgesagt. Eigentlich hätten in Alicante eine Woche nach Ostern und im Juni große Stadtfeste stattgefunden, welche ich sehr gerne erlebt hätte. Dies kann ich nun nur bei einem Besuch in Spanien einmal nachholen.

Corona und Spanisch lernen

Durch Corona hatte ich ab Mitte März nicht mehr so viel Kontakt zu anderen Spaniern. Nur zu meiner Gastfamilie und einer Spanischlehrerin, die mich online unterrichtete, um mich auf die Prüfung des Dele Sprachzertifikates vorzubereiten. Ich versuchte, so viel wie möglich zu lernen und mit meiner Familie zu kommunizieren, damit sich meine Spanischkenntnisse weiter verbesserten. Im Juni konnte ich dann meine Prüfung zum Dele-Sprachdiplom an der Universität von Alicante machen. Das Ergebnis habe ich im November erhalten. Ich habe bestanden!

Fazit

Trotz aller Schwierigkeiten habe ich dank der Unterstützung meiner Lehrer, meiner Eltern und meiner Austausch-Organisation alle meine Ziele erreicht. Ich bin zwar ungewollt fast zwei Monate länger in Spanien geblieben, aber dafür habe ich auch meine Führerscheinprüfung bestanden.

Die letzten zwei Monate im Hochsommer waren für mich die Besten. Ich konnte schon sehr gut Spanisch, hatte keine Schule mehr und musste nichts mehr lernen. Ich war nur noch mit Freunden am Strand, am Pool und hatte sehr viel Spaß.

Während der Pandemie versuchte ich immer positiv zu denken und das Beste aus meinem Auslandsjahr zu machen. Ich bin sehr zufrieden und glücklich wie alles gelaufen ist. Übrigens habe ich beim Heimflug dann auch noch meine drei besten Freunde mit zu mir nach Deutschland genommen. Sie haben bei mir einen Monat gewohnt und ich werde sie im nächsten Sommer in Alicante besuchen.

Alicante wurde zu meiner zweiten Heimat. Ich habe dort so viel erlebt und gute Freunde gefunden. Meinen Schüleraustausch werde ich nie vergessen, er hat mich sehr geprägt und auch sehr viel weitergebracht. Ich bin erwachsener geworden, habe sehr gut Spanisch gelernt, das Schuljahr bestanden, das Sprachzertifikat und auch den Führerschein gemacht. Und dies alles während Pandemie und Ausgangssperre. Aufgeben war nie eine Option.

Carl